Aufgeben, das kennt man nicht bei Manthey-Porsche. Auch nicht nach dem brutalen Unfall von Alexander Malykhin während des WEC-Qualifyings am Freitag in Spa-Francorchamps. Der gebürtige Belarusse hatte die Kontrolle über den #92 Porsche 911 GT3 R in der berüchtigten Eau Rouge/Raidillon-Passage verloren und war mit hoher Geschwindigkeit in die Reifenstapel auf der rechten Seite eingeschlagen. Malykhin befand sich auf seiner ersten Push-Lap, vermutlich waren die Reifen noch nicht ganz im optimalen Fenster.

"Bei einem Straßenauto würde man von einem wirtschaftlichen Totalschaden sprechen", beziffert Nicolas Raeder, Geschäftsführer der Manthey Racing GmbH, das Ausmaß des Crashs gegenüber Motorsport-Magazin.com. Trotz des großen Schreckmoments die wichtigste Nachricht zuerst: Malykhin gehe es "den Umständen entsprechend gut", erklärt uns Patrick Arkenau, Geschäftsbereichsleiter Racing der Manthey Racing GmbH. "Er hat die Freigabe von den Ärzten bekommen, am Rennen teilzunehmen."

Heftiger Manthey-Porsche-Unfall bei WEC in Spa (01:56 Min.)

Manthey-Notfallplan: Ersatzteilespender kommt aus Meuspath

Dafür brauchen der 36-jährige Bronze-Fahrer und seine Teamkollegen Joel Sturm sowie Klaus Bachler ("Der Einschlag war brutal") natürlich den entsprechenden Untersatz für das dritte Saisonrennen (Rennstart am Samstag um 13:00 Uhr, ab 17:00 Uhr live bei Sport1 im Free-TV). Der bisher genutzte Porsche ist in dieser Form wenig überraschend nicht mehr zu gebrauchen, zu schwer waren die Schäden nach dem rückwärtigen Aufprall.

Noch während des laufenden Qualifyings klingelte das Manthey-Einsatzteam an der Strecke ins rund 115 Kilometer entfernte Meuspath durch, um den "Notfallplan" für solche Fälle einzuleiten, wie Raeder es beschreibt. Arkenau führt aus: "Wir haben das sehr strukturiert gelöst und koordiniert, sodass direkt jemand in Meuspath mit einem Ersatzteilespender losgefahren ist. Während das Hypercar-Qualifying noch lief, war schon alles im Gange."

So wird der Manthey-Porsche nach dem Spa-Unfall repariert

Die Nähe zwischen dem grenznahen, belgischen Traditionskurs und der heimischen Teamfabrik in der Eifel könnte man wohl als Glück im Unglück bezeichnen. Denn Ersatzautos wie zu früheren Motorsport-Hochzeiten, die sogenannten 'T-Cars', gibt es nicht bei den Teams der Langstrecken-Weltmeisterschaft. Raeder: "Es ist nicht so, dass da ein komplett foliertes, zweites WEC-Auto steht, das man einfach austauschen kann. Es handelt sich um das Basischassis eines anderen Autos."

Der ambitionierten Manthey-Truppe steht eine lange Nacht ins Haus, denn der ' #92 Porsche 2.0' wird aus den wenigen noch verwertbaren Teilen des Originalautos, Ersatzteilen an der Strecke sowie weiteren Teilen vom herannahenden Ersatzteilespender aufgebaut, um am nächsten Tag wieder einsatzfähig zu sein. "Um acht Uhr sind wir heute nicht fertig", schmunzelt Raeder leicht bei unserem Gespräch in den Abendstunden.

Porsche soll "100 Prozent so fahren wie vor dem Unfall"

Der Anspruch der Manthey-Mannschaft ist klar: Trotz der ausufernden Reparaturarbeiten soll der Porsche am Rennsamstag genauso performen wie vor dem Qualifying-Unfall. Die Messlatte liegt hoch, schließlich hatte Malykhin das Auto im 3. Freien Training am Freitagmorgen auf den ersten Platz in der Zeitenliste bugsiert und sich für den weiteren Verlauf gute Chancen ausgerechnet.

Arkenau selbstbewusst und den Fähigkeiten des langjährigen Porsche-Werksteams ebenso bewusst: "Der Anspruch und die Motivation ist, dass das Auto morgen zu 100 Prozent so fährt, wie es heute gefahren ist. Mittlerweile sind die Autos sehr gut einstellbar, das ist schon eine andere Nummer als vor 10 oder 15 Jahren." Raeder meint: "Das ist unser Anspruch, aber auch nicht komplett selbstverständlich."

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Manthey-Porsche führt die WM-Tabelle in der WEC an, Foto: LAT Images

Manthey-Porsche führt WM-Tabelle in der WEC an

Bevor der Porsche aus Sicht von Manthey hoffentlich über Nacht aufgebaut und das 6-Stunden-Rennen bestreiten kann, wartet noch eine regulatorische Hürde: Das Auto muss vor dem Rennstart noch einmal das komplette Scrutineering, also die technische Abnahme, durchlaufen. Dabei wird geprüft, ob der 911er sicher ist und allen Aspekten des Reglements entspricht. Dieser Prozess geschieht normalerweise zu Beginn eines Rennwochenendes.

Der große Aufwand, den Manthey-Porsche in Spa betreibt, kommt nicht von ungefähr: Malykhin, Sturm und Bachler führen aktuell die Weltmeisterschaft in der LMGT3-Kategorie an! Beim Saisonauftakt in Katar feierte das Trio den Klassensieg, zuletzt in Imola sprang der dritte Podestplatz hinter dem siegreichen WRT-BMW-Duo heraus.