Vor dem Frankreich Grand Prix in Le Mans veröffentlichte die MotoGP das langersehnte neue Technische Reglement, welches ab der Saison 2027 greifen wird. Dabei kommt es zu zahlreichen Veränderungen, die im Sinne der Show, der Nachhaltigkeit und der Sicherheit getroffen wurden. In den vergangenen Jahren wurde die Königsklasse schließlich immer schneller und schneller, auch 2024 fallen die Rundenrekorde wieder. Das große Problem: Die Sicherheitsvorkehrungen auf den Traditionsstrecken wie Jerez, Mugello oder Valencia reichen nicht mehr aus. Deshalb soll die MotoGP mit dem neuen Reglement eingebremst werden. Doch wie viel langsamer wird die Königsklasse ab 2027 wirklich?

Ab 2027: MotoGP-Motoren mit bis zu 30 PS weniger Leistung

"Wir haben alle unsere Kalkulationen gemacht. Es wird einen Leistungsabfall geben und dieser wird - zumindest im ersten Jahr - ziemlich erheblich ausfallen", verkündete Aprilia -Teammanager Paolo Bonora stellvertretend für die fünf aktiven MotoGP-Hersteller im Interview mit 'GPOne'. Als einschneidenstes Element erkannte der Italiener dabei die Reduktion des Hubraums. Seit 2012 war die Königsklasse durchgängig mit 1000ccm-Motoren unterwegs, ab 2027 wird auf 850ccm gewechselt. "Wir erwarten dadurch eine Reduktion um 25 bis 35 PS, womit auch die Spitzengeschwindigkeiten geringer werden", lässt Bonora wissen.

MotoGP unter GPS-Überwachung: Was soll das?! (09:16 Min.)

Neue Regeln reduzieren MotoGP-Spitzengeschwindigkeiten um 20 km/h

Damit würde die Leistungsstärke der MotoGP-Motoren von derzeit 300 PS also auf rund 270 PS abfallen. Allein das sollte die Geschwindigkeiten auf der Strecke reduzieren. Hinzu kommt allerdings auch noch das vollständige Verbot der Ride-Height- und Holeshot-Devices, wodurch die MotoGP-Maschinen ab 2027 nicht mehr abgesenkt werden können. Das erschwert die Kurvenausfahrt und Beschleunigung für die Fahrer, womit die Höchstgeschwindigkeiten zusätzlich gedrückt werden. 2023 wurde Brad Binder im Mugello-Sprint mit 366,1 km/h geblitzt - Werte, die MotoGP-Fans in Zukunft wohl nicht mehr auf dem Zeitentableaut aufblitzen sehen werden. Doch das soll kein Problem darstellen, meint Borona: "Die Zuschauer zuhause bemerken nicht, ob wir 340 oder 360 km/h fahren. Du wirst auch mit 20 km/h weniger eine identisch gute Show bekommen und all das im Namen der Sicherheit."

Aprilias Teammanager sieht die Königsklasse ab der Saison 2027 also eher im 340er-km/h-Bereich. Allein das wird sich schon in den Rundenzeiten bemerkbar machen, doch auch der Aero-Beschnitt wird seinen Teil im negativen Sinne dazu beitragen. Gleichzeitig werden die MotoGP-Maschinen ab 2027 aber auch etwas leichter, das Mindestgewicht wurde von 157 auf 153 Kilogramm gesenkt. Dies könnte den Performance-Einschränkungen durch Hubraum-Reduktion, Device-Verbot und Aero-Einschnitt entgegenwirken. Im Rennsport zählt schließlich jedes Gramm. "Das wird schnellere Richtungswechsel und einen besseren Kurveneingang ermöglichen", glaubt auch Bonora.

So sollen sich MotoGP-Bikes ab 2027 verändern, Foto: MotoGP Twitter
So sollen sich MotoGP-Bikes ab 2027 verändern, Foto: MotoGP Twitter

Neue MotoGP-Regeln: Ab 2027 bis zu zwei Sekunden langsamer - aber nur kurz

Doch reicht das, um die Rundenzeiten der MotoGP auf einem ähnlichen Niveau zur aktuellen Saison zu halten? Wohl eher nicht. "Die Hersteller haben uns gesagt, dass wir im ersten Jahr je nach Rennstrecke mit einem Unterschied von ein bis zwei Sekunden rechnen können", verriet Dorna-Sportdirektor Carlos Ezpeleta am Freitag in Le Mans. Auf kürzeren Strecken wie Misano, Valencia oder dem Sachsenring dürften die Rundenzeiten also nicht allzu stark variieren, aber auf längeren Kursen wie Mugello, Silverstone, Katar oder dem Circuit of the Americas in Austin hingegen schon. Dabei gilt aber auch zu beachten, dass die MotoGP noch zwei volle Jahre im aktuellen Reglement vor sich hat und bis zur Saison 2026 nochmal schneller werden könnte. Das würde die Unterschiede in den Rundenzeiten im direkten Vergleich zwischen 2026 und 2027 natürlich nochmal vergrößern.

Doch allzu lange werden die MotoGP-Piloten auch mit dem neuen Technischen Reglement nicht 'langsam' bleiben. Sobald die neuen Konzepte verstanden sind, ist wieder mit großen Zeitsprüngen zu rechnen. "Meiner Meinung nach werden wir 2032 [Ende der Regelperiode, Anm.] wieder auf einem ähnlichen Leistungsstand sein", sagt etwa Ducati-Superhirn Gigi Dall'Igna und auch Bonora glaubt: "Ich erwarte eine schnelle Evolution in den Jahren danach, auch wenn wir vielleicht nicht mehr ganz an das aktuelle Niveau herankommen." Das ist aber wohl auch gar nicht nötig, denn wie Aleix Espargaro weiß: "Den Leute zuhause ist es egal, ob wir 1:31.8er- oder 1:33.4er-Zeiten fahren, das sind nur 1,5 Sekunden Unterschied. Die Bikes werden weiterhin gut performen und dafür die Show verbessern."

Neues MotoGP-Reglement: Folgt auch die Superbike-Bremse?

Ein Problem bleibt jedoch: Sollten die Rundenzeiten der MotoGP tatsächlich wie erwartet um ein bis zwei Sekunden fallen, ist der Unterschied zur Superbike-Weltmeisterschaft nicht mehr groß. Zum Vergleich: Zwischen den diesjährigen Polezeiten in der WorldSBK und den letztjährigen Polezeiten der MotoGP liegt weniger als eine Sekunde Abstand. In Barcelona verlor Toprak Razgatlioglu nur knapp acht Zehntel auf Francesco Bagnaia, auf Phillip Island trennten Nicolo Bulega und Jorge Martin sogar nur rund sieben Zehntel. Halten sich diese Abstände, könnte die MotoGP ab 2027 also langsamer sein als die Superbike-WM. Im Kampf Prototypen gegen Serienmaschinen natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.

"Du kannst ihre Regeln nicht so lassen und ihnen zusätzlich auch noch Qualifying-Reifen geben, weil die Leute zuhause das nicht verstehen werden, wenn die Straßenbikes plötzlich uns MotoGP-Fahrer schlagen", erkannte Aleix Espargaro. Seine Forderung ist deshalb klar: Auch die Superbike-WM braucht nun ein neues Reglement. Ducati-Teamchef Dall'Igna stimmt zu: "Mit der Panigale V4 sind wir zwei bis drei Sekunden hinter unserem MotoGP-Bike. Das zeigt, wie leistungsstark und schnell unsere Serienmaschinen sind. Du musst jetzt die richtige Balance für das Reglement der Superbike-WM finden. Nachdem wir die MotoGP-Regeln definiert haben, erwarte ich daher, dass wir jetzt auch eine Überprüfung der anderen Kategorie durchführen, um den Abstand zu wahren."

Die Superbike-WM erhalt 2026 wohl ebenfalls ein neues Reglement, Foto: LAT Images
Die Superbike-WM erhalt 2026 wohl ebenfalls ein neues Reglement, Foto: LAT Images

Dass solche Überlegungen einer Superbike-Bremse bereits existieren, bestätigten Promoter Dorna und Motorrad-Weltverband FIM bereits. "Die Superbike-WM soll in unseren Ökosystem an zweiter Stelle bleiben", verrät Carlos Ezpeleta und FIM-Präsident Jorge Viegas kündigt an: "Wir wollen die MotoGP an der Spitze haben, während die Superbikes als leicht veränderte Serienmaschinen gedacht waren. Wir haben schon vor zwei Jahren mit den Überlegungen für ein neues Reglement begonnen und werden bald etwas verkünden, um die Distanz zwischen MotoGP und WSBK zu wahren. Wir sprechen mit allen Herstellern und nutzen die Britische Meisterschaft als Testplattform. Ich hoffe, dass wir für 2026 eine neue Generation an Superbikes definieren können."

Dorna: Keine großen Veränderungen bei Moto2 & Moto3 zu erwarten

In diesem Zuge könnten übrigens auch die Regelwerke der Moto2 und Moto3, welche 2024 knapp fünf bis sieben bzw. zehn bis zwölf Sekunden langsamer sind als die Königsklasse, eine Überarbeitung erfahren. "Wir werden mit der FIM darüber sprechen", sagt Carlos Ezpeleta, meint ber auch: "Moto2 und Moto3 funktionieren. Die Fahrer, die in die MotoGP aufsteigen, schlagen sich gut. Es sollten also keine großen Veränderungen in naher Zukunft erwartet werden. Wir werden sie anpassen, wenn etwas nötig wird. In der MotoGP geht das nur alle fünf Jahre, aber in Moto2 und Moto3 ist das nicht der Fall. Da sind wir deutlich flexibler."

Wenn ihr nun wissen wollt, was die MotoGP-Stars eigentlich vom neuen Reglement halten, dann klickt euch unbedingt in den nachfolgenden Artikel rein: